Konflikte verstehen – und gezielt gestalten
Konflikte sind keine Betriebsunfälle, sondern ein natürlicher Bestandteil von Teamarbeit. Doch wie gelingt ein produktiver Umgang mit Spannungen? Dieser Expertenbeitrag beleuchtet, warum Konflikte in Teams entstehen, welche Dynamiken typisch sind und wie HR-Expert*innen sowie Führungskräfte mithilfe ihrer Haltung und Maßnahmen eine konstruktive Konfliktkultur fördern können. Ein altbekannter Spruch bringt es auf den Punkt: Es stellt sich nicht die Frage, ob es Konflikte geben wird, sondern wie wir mit ihnen umgehen werden.
Konflikte als Störfaktor oder Entwicklungsmotor?
Spannungen im Team werden oft als lästig empfunden – niemand freut sich über hitzige Diskussionen, stille Vorwürfe oder unausgesprochene Irritationen. In der Forschung werden insbesondere die negativen Auswirkungen diskutiert: Konflikte kosten Zeit, Geld und Produktivität. Laut Berechnungen können Konflikte durchschnittlich 15 % der Arbeitszeit von Führungskräften beanspruchen – das entspricht fast einem Arbeitstag pro Woche (Schermuly, 2019). Doch Konflikte sind nicht per se negativ. Im Gegenteil: Richtig erkannt und moderiert, können sie zur Klärung von Rollen, Erwartungen und Werten beitragen und Teams langfristig stärken (Friedrich & Tietze, 2022).
Warum entstehen Konflikte überhaupt?
Ein Konflikt entsteht, wenn Interessen, Werte, Bedürfnisse oder Ziele als unvereinbar erlebt werden. In der Praxis entstehen diese häufig aus einem Zusammenspiel von:
- Unklaren Rollen oder Zuständigkeiten
- Unterschiedlichen Kommunikationsstilen
- Wertespannungen (z.B. zwischen Teammitgliedern mit unterschiedlichem Arbeitsverständnis)
- Veränderungen (Umstrukturierungen, neue Führung)
- Individuellen Belastungssituationen (Zeitdruck, fehlende Ressourcen)
Damit Konflikte überhaupt zur Belastung werden, braucht es in der Regel vielmehr als ein einmaliges Missverständnis oder eine fachliche Auseinandersetzung. Wenn diese Spannungen unbemerkt bleiben, über einen längeren Zeitraum wirken, sich zunehmend verschärfen, verspüren die meisten Betroffenen starke Emotionen und erleben diese Dynamik als zusätzliche Stressbelastung. Im Speziellen trifft dies zu, wenn sich beispielsweise ein Rollenkonflikt auf einen Beziehungskonflikt ausweitet.
Konflikte als soziale Phänomene verstehen
Das klassische Modell zur Klassifikation von Konflikten ist das „Konflikteskalationsmodell“ nach Friedrich Glasl (2020). Dieses beschreibt neun Eskalationsstufen – von der „Verhärtung“ bis hin zur „Zerstörung“. Je früher diese Eskalationen von Führungskräften oder HR erkannt werden, desto höher die Erfolgswahrscheinlichkeit aus Konflikten sogar gestärkt hervorzukommen.
Demnach bedeutet eine konstruktive Konfliktkultur auch nicht: „Alle müssen sich ständig alles sagen“, sondern vielmehr: Wir erkennen Unterschiede an und finden einen Weg, damit professionell umzugehen.
Und genau hier kommt Konfliktkompetenz ins Spiel: Sie beschreibt die Fähigkeit, Spannungen frühzeitig zu erkennen, einzuordnen und gezielt zu bearbeiten – ohne die Beziehungsebene zu gefährden. Führungskräfte mit ausgeprägter Konfliktkompetenz können nicht nur deeskalieren, sondern schaffen ein Teamklima, in dem offene Kommunikation überhaupt erst möglich wird.
Konfliktkompetenz ist und bleibt eine Schlüsselfähigkeit in Teams, von denen Professionalität und dauerhaft gute Arbeitsleistung erwartet wird.
Daniel Ott-Meissl, Arbeits- und Organisationspsychologie
Fünf Praxistipps für ein gelingendes Konfliktmanagement
Damit Konflikte im Team konstruktiv gelöst werden können, haben wir für Sie fünf praxisnahe Tipps zusammengestellt, die Ihnen helfen, Spannungen frühzeitig zu erkennen und positiv zu steuern.
1. Frühzeitig wahrnehmen, nicht warten
Wer Spannungen im Team ignoriert, riskiert, dass aus kleinen Reibungen tiefe Gräben entstehen. Führungskräfte sind oft gute „Barometer“ – ihr Bauchgefühl liegt oftmals richtig.
2. Konflikte normalisieren
Sprechen Sie im Team über Konflikte als natürlicher Teil der Zusammenarbeit. Das nimmt Scham und Tabu – und schafft Raum für konstruktiven Umgang.
3. Moderation statt Eskalation
In heiklen Situationen kann es helfen, eine neutrale Moderation (intern oder extern) beizuziehen. Besonders bei verfahrenen Konfliktgeschehen wird der Einbezug externer Hilfe umso notwendiger.
4. Feedbackstrukturen aufbauen
Regelmäßige Retrospektiven, 1:1-Gespräche oder die Erarbeitung einer Team-Charta fördern den offenen Dialog – bevor Konflikte „kippen“ und nachhaltig negative Auswirkungen verursachen.
5. Selbstreflexion beachten
Gelingende Zusammenarbeit oder effektive Führung beginnt bei sich selbst. Wer sich selbst fragt: „Was löst der Konflikt eigentlich in mir aus?“ zeigt nicht Schwäche, sondern Haltung und kann dadurch oftmals neue Lösungsansätze gewinnen.
Fazit
Konflikte gehören zum Alltag in Teams und genau deswegen ist es so wichtig, wie mit ihnen umgegangen wird. Die persönliche Haltung aber auch die Unterstützung durch Führung und/oder HR entscheidet über Zusammenarbeit, Motivation und Leistung der beteiligten Personen. Wer Konflikte nicht scheut, sondern versteht, moderiert und lernt, kann sie zum Motor für Entwicklung machen.
Referenzen
Friedrich, C., & Tietze, M. (2022). Teams führen in der neuen Arbeitswelt. Springer Gabler.
Glasl, F. (2020). Konfliktmanagement: Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater. Freiamt: Verlag Concadora.
Schermuly, C. C. (2019). Psychologie der Führung: Wirkungen in der Praxis. Springer.
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Autor
Daniel Ott-Meissl, MSc
Arbeits- und Organisationspsychologe
Co-Founder & Geschäftsführer WorkPlaceHealth
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