Arbeitsmedizinische Betreuung in Österreich: drei Modelle, die funktionieren können
Ob Werkstatt, Büro oder Baustelle – überall, wo Menschen arbeiten, braucht es Schutz, Aufmerksamkeit und klare Strukturen, damit Gesundheit kein Zufall bleibt. In Österreich ist das nicht nur eine Frage der Haltung, sondern eine klare Arbeitgeber*innenpflicht: Unternehmen müssen dafür sorgen, dass Arbeitsbedingungen die Gesundheit der Mitarbeitenden schützen.
Ein wesentlicher Teil dieser Verantwortung ist die arbeitsmedizinische Betreuung. Sie verbindet Fachwissen, Prävention und betriebliche Praxis und zeigt, wie Gesundheitsschutz im betrieblichen Alltag konkret gelebt werden kann.
Die rechtliche Grundlage bildet das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG). Es verpflichtet alle Arbeitgeber*innen zur Bestellung von Arbeitsmediziner*innen, die sie in allen Fragen des Gesundheitsschutzes unterstützen.
Für kleinere Betriebe übernimmt in vielen Fällen bereits die AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt) einen Teil dieser gesetzlichen Verpflichtung: Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitenden pro Arbeitsstätte – sofern der Gesamtbetrieb nicht mehr als 250 Personen beschäftigt – werden von der AUVA im Rahmen ihrer Präventionsaufgaben kostenlos betreut und unterstützt. Erst ab 51 Mitarbeitenden pro Arbeitsstätte sind Betriebe verpflichtet, eine eigene arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Betreuung sicherzustellen und die entsprechenden Präventionszeiten nachzuweisen.
Wie diese arbeitsmedizinische Betreuung organisiert wird, ist jedoch flexibel. Je nach Unternehmensgröße, Gefährdungspotenzial und internen Strukturen gibt es drei bewährte Modelle, die zeigen, wie Arbeitsmedizin heute praxistauglich umgesetzt werden kann.
Modell 1: Direktanstellung im Betrieb
Ideal für große Organisationen mit komplexen Arbeitsumgebungen
Große Betriebe – etwa in der Industrie, im Energiesektor oder im Gesundheitswesen – setzen häufig auf eigene Arbeitsmediziner*innen im Haus bzw. an den unterschiedlichen Unternehmensstandorten. Diese sind somit fix in den Betrieb integriert und kennen die Abläufe, Arbeitsplätze und Herausforderungen im Detail.
Sie begehen regelmäßig die Arbeitsplätze, beraten Führungskräfte und Mitarbeitende, führen Vorsorgeuntersuchungen durch, wirken an ASA-Sitzungen mit und gestalten Gesundheitsmaßnahmen aktiv mit. In Produktionsbetrieben oder Spitälern ist Arbeitsmedizin damit oft ein selbstverständlicher Teil des Arbeitsalltags: Die Ärztin oder der Arzt ist präsent, jederzeit ansprechbar und in die betrieblichen Strukturen eingebunden.
Fazit:
Wenn Arbeitsmedizin im eigenen Haus verankert ist, entsteht eine Nähe, die man durch kein anderes Modell ersetzen kann. Die Ärztin oder der Arzt kennt die Menschen, die Abläufe und die kleinen Probleme, die sonst niemand anspricht. Entscheidungen fallen schneller, Vertrauen wächst mit der Zeit und Gesundheit wird Teil der Unternehmenskultur. Natürlich braucht es dafür Ressourcen und Strukturen, aber wer sie schafft, investiert in weit mehr als Compliance: in Sicherheit, Zugehörigkeit und echte Prävention, die spürbar wird.
Modell 2: Arbeitsmedizinisches Zentrum (AMZ)
Besonders geeignet für mittlere Unternehmen mit klaren Strukturen und standardisierten Prozessen
Das Arbeitsmedizinische Zentrum (AMZ) ist in Österreich die am weitesten verbreitete Form der arbeitsmedizinischen Betreuung. Diese Zentren betreuen mehrere Unternehmen parallel und arbeiten nach klar definierten Qualitätsstandards und Abläufen.
Gerade für mittlere Betriebe bietet dieses Modell die ideale Balance zwischen Fachkompetenz und organisatorischer Entlastung. Begehungen, ASA-Sitzungen und Dokumentationen erfolgen regelmäßig – meist nach klaren Qualitätsrichtlinien.
Praxisbeispiel:
Ein Logistikunternehmen mit 300 Mitarbeitenden arbeitet mit einem regionalen AMZ zusammen. Der bzw. die Arbeitsmediziner*in besucht den Betrieb regelmäßig (meist monatlich), überprüft Arbeitsplätze im Lager, organisiert Sehtests und koordiniert weitere Maßnahmen mit den Belegschaftsorganen (BR, SVP) und den weiteren zuständigen Fachkräften.
Fazit:
Ein Arbeitsmedizinisches Zentrum ist für viele Unternehmen eine verlässliche und effiziente Lösung. Es bietet klare Abläufe, planbare Termine und fachliche Kontinuität. Der persönliche Austausch hängt dabei – wie so oft – von der Zusammenarbeit ab: Je enger Betrieb und Zentrum kommunizieren, desto individueller und praxisnäher wird die Betreuung.
Modell 3: Externe arbeitsmedizinische Betreuung
Passend für KMU mit dynamischen Anforderungen und begrenzten Ressourcen
Für kleine und mittlere Unternehmen ist die externe Beauftragung von freiberuflichen Arbeitsmediziner*innen oder eines spezialisierten Anbieters meist die praktikabelste Variante. Sie bietet maximale Flexibilität, ohne an Qualität zu sparen und passt sich dynamisch an betriebliche Veränderungen an.
Die Frequenz der Betreuung richtet sich auch hierbei nach der Anzahl der Mitarbeitenden, den Gefährdungen und schließlich nach den gesetzlich festgelegten Präventionszeiten.
Praxisbeispiel:
Ein IT-Unternehmen mit 80 Mitarbeitenden beauftragt eine externe Arbeitsmedizinerin, die planmäßig zumindest zweimal jährlich vor Ort ist. Sie überprüft Bildschirmarbeitsplätze, führt Sehtests durch, übernimmt die erforderlichen Begehungen und organisiert Impfaktionen. Alle Ergebnisse werden dokumentiert und in die Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes integriert.
Fazit:
Die externe arbeitsmedizinische Betreuung bietet Unternehmen ein hohes Maß an Flexibilität und Effizienz – besonders dort, wo Strukturen schlank bleiben sollen. Sie ermöglicht gesetzeskonforme Betreuung ohne fixe Personalkosten, bietet schnellen Zugriff auf spezialisierte Expertise und reagiert dynamisch auf Veränderungen im Betrieb.
Gemeinsamer Nenner: Prävention braucht Struktur
Egal, für welches Modell sich ein Unternehmen entscheidet – wichtig ist, dass Präventionsarbeit systematisch und regelmäßig erfolgt. Nur dann entfaltet Arbeitsmedizin ihren vollen Nutzen: Sie gewährleistet sie Arbeitsfähigkeit und die Sicherheit am Arbeitsplatz.
Wichtige Erfolgsfaktoren in der Praxis sind:
- regelmäßige Begehungen und Beratungen
- dokumentierte Präventionszeiten
- enge Zusammenarbeit zwischen Arbeitsmedizin, Sicherheitsfachkraft, anderen Fachkräften wie Arbeitspsycholog*innen
- klare, offene Kommunikation im Betrieb
- Schnittstellen zu Belegschaftsorganen (z.B. Betriebsrat, Sicherheitsvertrauensperson) und zur Fachabteilung (z.B. HR/Personal, BGM/ESG) gestalten
Fazit
Aus arbeitsmedizinischer Sicht gibt es kein Patentrezept. Jedes Betreuungsmodell hat seine Stärken – entscheidend ist, wie ernst Prävention im Unternehmen genommen wird.
In der Direktanstellung entsteht Nähe und tiefe Kenntnis der Arbeitsrealität. Im Zentrum (AMZ) profitieren Betriebe von klaren Strukturen und breiter Expertise. Und in der externen Betreuung zeigt sich die Stärke von Flexibilität, Unabhängigkeit und Erfahrung aus vielen Branchen.
Was in allen Modellen zählt, ist die Haltung dahinter: ob Arbeitsmedizin als Pflichtprogramm verstanden wird oder als gelebter Teil der Unternehmenskultur. Wirksam wird sie dann, wenn Ärztinnen und Ärzte nicht nur beraten, sondern begleiten. Wenn Vertrauen entsteht, Themen offen angesprochen werden dürfen und Maßnahmen wirklich umgesetzt werden.
WorkPlaceHealth: Externe Betreuung neu gedacht
Ab 2026 bietet WorkPlaceHealth eine integrierte Form der arbeitsmedizinischen Betreuung – in Verbindung mit unseren bisherigen Schwerpunkten Arbeitspsychologie und Betrieblicher Gesundheitsförderung. Damit bieten wir zukünftig noch umfassendere Leistungen für Unternehmen, die sowohl gesetzliche Anforderungen als auch das Wohlbefinden der Mitarbeitenden kontinuierlich fördern möchten. Unternehmen profitieren damit von einem einzigen Ansprechpartner, der gesetzliche Anforderungen abdeckt und gleichzeitig das Wohlbefinden der Mitarbeitenden stärkt.

